Ein wichtiges Thema – analysiert von Niklas Hösl, CTO von Chargeprice.

Wie so oft, war Tesla Vorreiter bei Ladeflatrates: Mit dem Kauf eines Teslas bekam man automatisch das Recht auf kostenloses Supercharging. Ohne jegliche Limits. Ein cooles Extra für Early Birds und wenn man, wie zum Beispiel Franz Liebmann, schon über 530.000 km am Tacho hat, zahlt sich das schon richtig aus.

Für Neukunden sind diese Zeiten mittlerweile längst vorbei und ganz generell ist es in den letzten Jahren um Flatrates für das öffentliche Laden ziemlich ruhig geworden. Nur einige lokale Energieanbieter, hatten noch so ein Produkt im Angebot (jedoch meist nur für einheimische Kunden).

Bis heuer das Startup Elvah auf der Bildfläche erschien und wieder Bewegung in den Markt brachte: Ziel ist das Laden so einfach wie möglich zu gestalten. Mit einer vom Fahrzeug abhängigen relativ hohen monatlichen Gebühr von 89€ bis 199€ kann man an allen deutschen (und viele europäischen) Ladestationen ohne zusätzliche Kosten laden.

Genau genommen ist Elvah jedoch keine richtige Flatrate: Je nach Fahrzeug darf man maximal 500 kWh bis 1000 kWh pro Monat laden, was umgerechnet (und je nach Fahrzeug) Strom für ca. 4000 km im Monat oder 48.000 km im Jahr sind. Für echte Vielfahrer reicht das dann schon nicht mehr aus.

Hier ist dann vor wenigen Wochen mit JUCR der nächste Anbieter am Markt erschienen und hat bei Vielfahrern große Freude ausgelöst: Mit drei unterschiedlichen Tarifen (nur AC für 49€, nur DC für 69€ und beides für 99€ pro Monat) konnte man Laden so viel man will. Von einem “Fair Use” Limit wie bei Elvah stand weder etwas auf der Hauptwebsite, noch in den AGBs.

Dass diese Bepreisung nicht kostendeckend sein kann und nur der eigenen Bekanntheit und dem Aufbau des Kundenstamms dient, sollte jedem bewusst sein, welcher Anfang 2019 schon E-Auto gefahren ist, als gewisse Anbieter Ladestrom für einige Monate um 2 Cent pro Minute fast schon verschenkten.

Nur kurze Zeit nach dem Start von JUCR wurde der 69€ DC Tarif auch schon wieder eingestellt. Und vor wenigen Tagen wurde auch noch eine Klausel in die AGBs aufgenommen, wodurch eine “unverhältnismäßige Nutzung” zur Kündigung des Vertrags führen kann. “Unverhältnismäßig” ist in diesem Fall schon 30.000 km pro Jahr, also sogar weniger also bei Elvah. Dadurch ist nun auch JUCR für Vielfahrer nicht mehr attraktiv. 

Sind Elvah und JUCR also nur böse, geldgierige Unternehmen, welche Wenigfahrern so viel Geld wie möglich aus der Tasche ziehen wollen und Vielfahrer sowieso rausschmeißen?

Nein, nicht unbedingt. Die Lage muss von verschiedenen Winkeln betrachtet werden:

Die Erwartung der Kunden

Seit vielen Jahren ist Internet bzw. Datenvolumen de facto eine unbegrenzte Ressource: Für 20-30€ im Monat (in Österreich) kann man so viel surfen wie man will. Einzig für eine höhere Geschwindigkeit kann man noch extra zahlen. Zumindest im eigenen WLAN kennt keiner mehr seinen monatlichen Datenverbrauch. 

So stellen sich die meisten Menschen eine Flatrate vor: Einmal die Grundgebühr zahlen und dann kann Netflix den ganzen Monat laufen und keiner wird sich beschweren.

Durch die Bezeichnung “Flatrate” für Ladeangebote ist die Erwartung natürlich die selbe: Ich möchte Laden so viel ich will. Egal ob ich 100 km oder 10.000 km im Monat fahre. Da solche Tarife beim Laden jedoch so gut wie niemals “unlimited” sind, sollte darauf zumindest prominent hingewiesen werden. 

Internetflat vs. Ladeflat: Äpfel und Birnen vergleichen

Aus Sicht eines Betreibers sieht die Sache jedoch völlig anders aus: Ein Internetanbieter betreibt sein Netz entweder komplett selbst oder mietet sich in ein einzelnes bestehendes Netz ein (“virtuelle Anbieter”). Die Kosten pro Gigabyte sind dabei großteils vorhersehbar. Den Markt gibt es schon länger und die Anbieter können gut kalkulieren wie viel ihre Kunden im Durchschnitt verbrauchen. Außerdem ist Datenvolumen, abgesehen vom resultierenden Stromverbrauch (ca. 0.06 kWh pro GB -> 0,012€/GB bei 0,2€/kWh), keine natürliche Ressource wie zum Beispiel Wasser oder Strom. Das Risiko ist daher eher gering. 

Für Ladekartenanbieter und vor allem Startups in diesem Bereich, ohne einen riesigen Energiekonzern im Rücken, gestaltet sich die Sache jedoch viel schwieriger: Sie müssen mit jedem Stationsbetreiber ein Roamingabkommen abschließen, damit der Ladedienst dann auch an dessen Stationen funktioniert. Jeder Stationsbetreiber kann dabei die B2B Preise pro kWh oder Minute, welche für jeden Ladevorgang zwischen den Betreibern verrechnet werden, frei und ohne jegliches Regulativ wählen. Hier wird knallhart verhandelt und nichts dem Zufall überlassen. Beispiel: Der Energiekonzern X betreibt ein Ladenetz inklusive Ladekarte und weiß, dass seine Kunden auch gerne im Roaming bei Stationen von Energiekonzern Y laden, welcher auch eine Ladekarte anbietet. Hier kann dann ein sehr günstiger gegenseitiger Roamingtarif ausverhandelt werden, falls die Kunden von Y auch gerne an den Stationen von X laden, weil es im Interesse beider Parteien ist.

Das Startup Elvah, welches keine eigenen Ladestationen betreibt, bringt X jedoch keine Vorteile und zahlt daher wahrscheinlich höhere Preise. Das sind übrigens keine Verschwörungstheorien, sondern gelebte Praktiken, welche wir direkt von Energieanbietern erfahren haben.

Um am Markt als Ladeflat relevant zu sein, muss man natürlich mit so gut wie allen Anbietern ein Roamingabkommen abschließen. Jedes Abkommen ist dabei mit einem kaufmännischen Risiko verbunden. Bei hunderten Roamingpartnern wird es dann erst richtig interessant. Mengenrabatte wenn viel Energie bezogen wird gibt es übrigens keine.

Und die aktuell steigenden Großhandelsstrompreise machen die Sache nicht einfacher.

Aus dieser Sichtweise ist jeder “Superuser” für Elvah und JUCR ein Risiko und daher zu vermeiden. Aber wer ist dann eigentlich die Zielgruppe solcher Ladeangebote?

Auf die Zielgruppe kommt es an

Die allermeisten E-Autofahrer sind in der glücklichen Lage die meiste Zeit zu Hause laden zu können. Ist das nicht möglich, weil sie entweder in einer Wohnung leben oder mit der Reichweite des Fahrzeugs nicht über den Tag kommen, hilft die öffentliche Ladeinfrastruktur aus. 

Hier treibt einem das Tarifchaos mit extrem unterschiedlichen Preisen und Blockiergebühren aber oft den Schweiß auf die Stirn (auch wenn wir hier mit Chargeprice etwas aushelfen 😉 ). Mit der falschen Ladekarte kostet ein einziger Ladevorgang im schlimmsten Fall schon die monatliche Grundgebühr von Elvah.

Muss man dann regelmäßig öffentlich Laden, ist es dann für viele einfach entspannter sich nicht mehr über dieses Thema sorgen machen zu müssen.

Würde es also überall faire bzw. (fast) einheitliche Preise an Ladesäulen geben und würden alle Ladekarten an jeder Ladesäule funktionieren, wären Elvah und JUCR vielleicht überflüssig. Davon sind wir aber aktuell in vielen Ländern Europas noch weit entfernt.

Textcredit von Niklas Hösl, CTO von Chargeprice

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