Für unseren Praxistest steht uns ein Mercedes EQS 580 AMG SUV zur Verfügung.

Generelles

Die 2021 eingeführte Elektroauto-Plattform EVA2 wurde bisher von zwei Limousinen genutzt, dem Mercedes EQE und dem Mercedes EQS.  

Im EQS SUV wird die Architektur zudem erstmals für ein SUV verwendet. Die Plattform gibt es mit kurzem Radstand (3,12 Meter) und mit langem (3,21 Meter). Unser Testfahrzeug besitzt das lange Chassis, welches zwei Batteriemodule zusätzlich beherbergt. Gefertigt wird es in Alabama.  

Erster Eindruck

Obwohl der EQS SUV 5,12 Meter lang und ohne Außenspiegel fast zwei Meter breit ist, ist den Designern von Mercedes-Benz das Kunststück gelungen, dieses Fahrzeug nicht riesig, sondern lediglich groß wirken zu lassen.

Das Fahrzeug ist neun Zentimeter kürzer, aber dafür 20 höher als die Limousine, die Linie dennoch auffallend ähnlich. Alles fließend und glatt, man ahnt bereits beim ersten Anblick eine perfektionierte Aerodynamik. Die LED-Lichter verleihen dem Fahrzeug einen hochwertigen Charakter. Der Grill ist besonders schick, vor allem in seiner optionalen Form. Die Türgriffe geben dem Ganzen eine elegante Note. Seitlich gibt es einen EQS-Schriftzug an der A-Säule.

Das schwarze Dreieck, das das Signet trägt, verdeckt ein massives Strukturelement, das offenbar aus Gründen der Crash-Sicherheit nötig ist. Dazu später mehr.    

Innenleben  

An Bord gibt es Platz in Hülle und Fülle. Hier entsprechen das Layout und der Komfort grundsätzlich der EQS-Limousine. Dafür bietet er seinen Insassen aber auch nahezu unendlich viel Platz.  

Verarbeitung und Material sind sehr edel bis luxuriös. Das Holz schimmert hochwertig, das Leder knautscht griffig, und die kupferfarbenen Nähte sind sauber gezogen.  

Für beste Laune sorgen die Multikontursitze des Testwagens. Groß, angenehm gepolstert, zigfach einstellbar, unglaublich bequem. Und fahr einmal abends mit den ganzen Lichtern: WOW Effekt!  

Auch die große Bank im Fond lässt sich serienmäßig elektrisch verstellen – längs um 13 Zentimeter und dazu die Lehnen Neigung. Gegen Aufpreis sind laut Mercedes noch zwei weitere klappbare Sitze in der dritten Reihe buchbar.  

Bei unserem Testwagen passen 645 bis 2100 Liter rein, die Rücklehne ist geteilt umlegbar, elektrisch – versteht sich hier ja von selbst. Klappt man die Rücksitzbank um, stehen sogar 2.100 Liter zur Verfügung.  

Gestresst? Dann wählen wir eine Einstellung, die Ihnen dem Eindruck eines Regenschauers im Wald vermittelt oder den von Wellen am Strand, um Ihren Blutdruck zu senken.

Eine Massage gefällig? Im Front hat man die Wahl zwischen verschiedenen Programmen dafür. Wir verstehen uns: Oliver, unser Testfahrer hatte stets das bestimmte Gefühl, in einem Benz zu sitzen. Ziel erreicht.   

Wir konzentrieren uns beim Cockpit auf die uns dargebotenen drei OLED-Displays. Alle Materialien, Funktionen und Optionen im Detail zu beschreiben, würde den redaktionellen Rahmen sprengen.

Der Testwagen besaß den riesigen, über die gesamte Breite des Fahrzeugs gehenden Hyperscreen – Serie beim 580 4Matic.  

Die Displays – jeweils 12,3 Zoll für Instrumente und Beifahrer, 17,7 Zoll für den zentralen Touchscreen – kommen mit brillanter Optik und halten irre viele Informationen bereit. Menüstruktur und Bedienungslogik sind durchdacht. Hinzu kommt die aufmerksame MBUX-Sprachführung.  

Mercedes bezeichnet die Dreier-Kombination, die sich von A-Säule zu A-Säule spannt, als “Hyperscreen“. Dieser liegt unter einem randlosen Stück Glas mit einem Durchmesser von unfassbaren 56 Zoll.  

Die Einheit umfasst ein Instrumentendisplay (12,3 Zoll), ein Infotainment-Display (17,7 Zoll) und ein Beifahrerdisplay (12,3 Zoll).

Clever: Wenn der Beifahrer sich ein Video auf “seinem” Bildschirm anschaut, aktiviert das System ein Stereokamerasystem, welches die Augen der Person am Steuer beobachtet. Ertappt einen das System dabei, dass man als Fahrer auf den rechten Bildschirm hinüberschaut, verschwimmt der Inhalt, bis man sich wieder auf die Straße konzentriert. Ok, also TV schauen ist nicht.

Auch wenn das Mbux-Multimediasystem von Mercedes-Benz gern mal für sein nicht mehr ganz so zeitgemäßes Design kritisiert wird, so zählt es dennoch zu den besten am Markt – zumindest, wenn es um die Basics geht. Die Bedienung ist einfach und intuitiv, alles läuft flüssig.      

Technik & Laden  

Der EQS basiert auf der modularen Elektroarchitektur (MEA), die flexibel im Radstand und damit auch bei der Batteriegröße ist. Zudem können die einzelnen Modelle wahlweise mit Heck- und Allradantrieb ausgestattet werden.

Die Entscheidung für ein 400-Volt-System wird derzeit noch mit kundenorientierten Kennzahlen argumentiert. Mercedes wird ab 2024 die MMA-Plattform als Serie nutzen.

In Sachen Ladeplanung, die bei einem Elektroauto elementar ist, enttäuscht der EQS SUV nicht. Sobald man sein Ziel ins Navi eingegeben hat, berechnet der Bordcomputer innerhalb kürzester Zeit die notwendigen Ladestopps und berücksichtigt dabei auch die Auslastung der Ladestationen.    

Alle Motoren sind permanent erregte Synchronmotoren (PSM), da diese laut Enzmann die beste Balance zwischen Reichweite, Effizienz und Leistung für die Autos auf dieser Plattform bieten. Grundsätzlich verfügen alle Modelle über einen riesigen 108,4-Kilowattstunden-Akku.

Während der EQS 450+ SUV aber lediglich 265 Kilowatt (360 PS) leistet und für den Sprint von 0 auf 100 km/h 6,7 Sekunden braucht, schafft der EQS 580 4matic SUV diesen in 4,6 Sekunden, 400 Kilowatt (544 PS) sei Dank.

Allerdings reduziert sich die WLTP-Reichweite dadurch auch von 663 Kilometern auf 602 Kilometer. Geladen werden kann mit Wechselstrom – 11 kW sind Serie, 22 kW optional erhältlich.

Der EQS SUV lädt am Schnelllader mit maximal 210 Kilowatt, die allerdings nicht durchgehend gehalten werden. Für einen Ladevorgang von 10 auf 80 Prozent SoC (State of Charge) müssen rund 30 Minuten eingeplant werden. Besonders komfortabel lädt man bei Ionity, da der EQS SUV (wie auch EQS, EQE und EQE SUV) dort Plug-and-charge unterstützt. Das Fahrzeug kümmert sich um die Kommunikation vor Ort selbst.

In unserem zweiwöchigen Test lag der der Energieverbrauch im Durchschnitt zwischen 22 und 25 Kilowattstunden pro 100 Kilometer. Daraus resultierte eine realistische Reichweite zwischen ca. 432 und 500 Kilometern. Aber was sind schon Zahlen bei diesem Auto?  

Fahren  

Der EQS 580 4Matic wird von je einem E-Motor an Vorder- und Hinterachse angetrieben, die Systemleistung liegt bei 544 PS, das Drehmoment bei 858 Nm.  

Der EQS fährt ansatzlos, nachdrücklich und wuchtig los, beschleunigt jederzeit vehement. In 4,5 Sekunden auf hundert und in weniger als 17 Sekunden über 200 – theoretisch.

Der Vortrieb endet erst bei 210 km/h. Alles angeblich beiläufig und scheinbar mühelos, typisch für dieses Fahrzeug.  

Die Geräuschdämmung ist exzellent und sucht ihresgleichen. Wenn man mit heruntergelassenen Fenstern durchs Land fährt, hört man nur die Vögel, den Wind und das Geräusch der Reifen, die um Traktion kämpfen. Na ja, da war keine Spur von Anstrengung bemerkbar. Die Elektronik überwacht und optimiert das Drehmoment an jedem Rad 160 Mal pro Sekunde.

One-Pedal-Fahren ist mühelos möglich. Die Rekuperation lässt sich mit den Schaltwippen am Lenkrad in drei Stufen verstellen. Klappt gut, man kann sich in der Stadt zum Beispiel an die Ampel heranbremsen. Leider muss diese bei jedem Start neu aktiviert werden.

Sehr zu empfehlen ist grundsätzlich aber auch die Auto-Funktion. Die arbeitet mit Navi-Daten und dem Radar, reagiert aufmerksam und bis zum Stillstand. Das nervige „Nachobenschauen“ hat hier seinen Meister gefunden. Sehr bequem.    

Die vorderen Säulen sind allerdings so dick, dass sich Oliver beim Manövrieren auf engem Raum und auf kurvigen Straßen vor- oder zurückbeugen muss, um eine gute Sicht zu haben. 

Bremsen und Fahrwerk sind beim EQS SUV die gleichen wie bei den anderen Mitgliedern der EVA2-Familie: Scheibenbremsen rundum, Vierlenkerachse vorne und Mehrlenkerachse hinten.

Die Luftfederung mit Niveauregulierung ist serienmäßig und ermöglicht es, die Bodenfreiheit, um etwa zweieinhalb Zentimeter zu erhöhen.

Mit warmen Bremsen stand der EQS beim Stopp aus Tempo 100 im Test nach 33,7 Metern. Das ist gut – sehr gut, um genau zu sein.  

Daraus resultiert ein außergewöhnlich hoher Fahrkomfort. Selbst größere Unebenheiten schluckt der EQS SUV mühelos – und auch, wenn man mal etwas dynamischer in eine Kurve fährt, liegt der knapp 2,8 Tonnen schwere Luxusliner sicher auf der Straße. Heraus kommt ein großer, schneller Gleiter mit sensibler Federung. Dazu bleibt es außergewöhnlich leise an Bord.    

Ein eigenes Kapitel ist die Lenkung an sich und der Wendekreis von gerade einmal elf Metern. Bei niedrigen Geschwindigkeiten werden die Räder gegenläufig um bis zu 10 Grad eingeschlagen, was das Einparken und enge Kurvenfahrten bei niedrigem Tempo vereinfacht.

Das Feature lässt den EQS viel kleiner wirken als er ist, da der Wendekreis sich von 11,9 auf 11,0 Meter verkleinert. Zum Vergleich: Der fast 70 Zentimeter kürzere Volvo XC40 Recharge Pure Electric (diesen haben wir gleichzeitig getestet) bringt es auf einen Wendekreis von 11,8 Metern.  

Sonderlob verdienen die Frontscheinwerfer: mit „Digital Light“ leuchten bis zu 1,3 Millionen Mikrospiegeln auf. Hier schafft es der EQS auf der Autobahn, bei vollem Verkehr die Überkopf-Wegweiser zu beleuchten, ohne zu blenden. 

Preise

Wie bei allen Modellen der Stuttgarter ist die Aufpreisliste lang, beinhaltet zugleich aber alles, was derzeit State of the Art ist: Mbux-Hyperscreen mit OLED-Beifahrer-Display, Hinterachslenkung, wärmedämmendes Glas, Burmester-3D-Surround-Soundsystem, Mbux Augmented Reality für die Navigation, Sitzklimatisierung, Entertainment im Fond, alle gängigen Assistenzsysteme und vieles mehr. Ja, richtig viel mehr.

Magst du einfach überall den Haken setzen oder wählst direkt unser AMG-Line-Business-Class-Paket aus, katapultiert sich der Kaufpreis um bis zu 43.000 Euro nach oben. Was solls?  

Fazit

Der EQS 580 sprengt als SUV derzeit sämtliche Dimensionen.

Platz, Komfort, Leistung sowie Assistenten im Überfluss und auf dem höchsten Stand. Fahrkomfort,

Verarbeitung und Materialauswahl sind hier auf höchstem Niveau. Die Kombination aus einem überaus geräumigen Kofferraum (oder wahlweise sieben Sitzen) und einer realistischen Reichweite von bis zu 500 Kilometern macht den EQS SUV zum perfekten Reisebegleiter.

Zwar ist die Ladeleistung von maximal 210 Kilowatt nicht gerade rekordverdächtig, aber in Kombination mit der vergleichsweisen hohen Reichweite muss man keine Kompromisse auf der Langstrecke eingehen.

Vor allem in Anbetracht der ganzen Annehmlichkeiten, die der vollelektrische SUV an Bord hat. Ebenso gewaltig sind in jeder Hinsicht auch das Gewicht und der Preis.

Aber wie sagte ein Freund zu mir: „ein Mercedes ist eben ein Mercedes!“  

Danke an Oliver für einige wirklich wundervolle Bilder!

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